Stars der Architekturszene hinterlassen ihre Spuren nicht nur in New York, Shanghai, Berlin oder London, sondern auch in München. Und zwar auf viele Arten, wie folgende Beispiele zeigen.
Betritt man München über sein nördliches Tor, den Flughafen, öffnet sich nach wenigen Metern ein beeindruckend weiter, überdachter Platz. In 41 Metern Höhe schützt ein Dach aus Glas mit eingesetzten, segelförmigen Membranflächen aus beschichtetem Glasfasergewebe die Menschen darunter vor allzu greller Sonneneinstrahlung und Regen. Das Munich Airport Center ist das formvollendete Verbindungsglied zwischen Terminal 1 und 2, und wenn man über diesen Platz wandert oder läuft – mit 19.000 Quadratmetern (15 olympische Schwimmbäder) der größte, überdachte Europas –, fühlt man sich seltsam frei. So als würde man gleich abheben. Die Konstruktion, die 1997 eingeweiht wurde, imitiert somit ein wenig, was ein paar Meter entfernt im Minutentakt passiert. Menschen aus aller Welt erheben sich in die Lüfte. Entworfen hat dieses flügelartige Dach und seine Umgebung der in Zirndorf (nahe Nürnberg) geborene und 2021 verstorbene Architekt Helmut Jahn. Auf der ganzen Welt gestaltete er Gebäude. Besonders berühmt ist er für den Messeturm in Frankfurt, das Sony Center am Potsdamer Platz in Berlin oder den Suvarnabhumi Flughafen in Bangkok.
Gebäude, die vom Basler Architekturbüro Herzog & de Meuron entworfen wurden, kann man in München nicht übersehen. Die Allianz Arena leuchtet den mit dem Auto Anreisenden – in der Regel im Rot des FC Bayern München – den Weg in die City. Dort flanieren sie dann durch die Fünf Höfe. Diesen Komplex aus Geschäften, Restaurants, Cafés und einem Museum gestalteten die Schweizer in den 1990er-Jahren. Und schon bald könnten sich im Westen die höchsten Türme (155 Meter) der Stadt an der alten Paketposthalle erheben, sie stammen ebenfalls von den Zeichentischen von Herzog & de Meuron. Etwas weniger bekannt ist allerdings das erste Gebäude, das die beiden Stararchitekten mit ihrem Büro in München verwirklichten: die Sammlung Goetz. Das Museum befindet sich in der Oberföhringer Straße, es wurde 1993 eingeweiht, liegt in einem großzügig angelegten Park mit altem Birkenbestand. Das Holz dieses Baums findet sich auch in der Verkleidung auf der mittleren Ebene des rechteckigen, zweistöckigen Gebäudes. Es sieht so aus, als würde diese schweben, weil der obere und untere Teil des Museums verglast sind und die Trägerkonstruktion kaum zu erkennen ist. Ein besonderer Raum für die Kunst, auch weil die Innenräume sehr gut mit Tageslicht beleuchtet und so Malereien und Skulpturen natürlich zur Geltung gebracht werden können. Moderne Kunst und Gebäude, beide sind einen Besuch wert.
Das Wiener Büro Coop Himmelb(l)au zerlegt seit den 1960er-Jahren herkömmliche Formen und setzt sie neu zusammen. So entstehen Gebäude, die im Zerbersten begriffen der Schwerkraft zu entgleiten scheinen oder umzukippen drohen. Hochhäuser knicken ein oder drehen sich um sich selbst. In diesem Stil hat Coop Himmelb(l)au weltweit Gebäude entworfen, die einzigartig auffällig in der Stadtlandschaft erblühen. Etwa das raumschiffartige Musée de Confluences in Lyon oder den Sitz der Europäischen Zentralbank in Frankfurt. Auch München verfügt über eine Arbeit von Coop, die man nicht übersehen kann: die BMW Welt in der Nähe des Olympiaparks. Nicht weit entfernt in Schwabing liegt ein Bau, den man sich ebenfalls anschauen sollte. Coop Himmelb(l)aus Erweiterung der Akademie der Bildenden Künste aus dem Jahr 2005. Auch sie scheint in Bewegung zu sein. Aus der Fassade brechen Elemente hervor, eine Glasfassade wirkt wie an das Gebäude geklebt, was ihm die Anmutung des Aufbruchs, des Strecken nach Neuem gibt. Im Inneren vernetzen verschiedene Rampen und Stege die unterschiedlichen Abteilungen, die im Haus untergebracht sind. Kunst braucht Austausch, diese Forderung drückt Coop Himmelb(l)aus Haus wie sonst nur wenige aus.
Foster + Partners, das Büro des Londoner Stararchitekten Sir Norman Foster, hat auf der ganzen Welt eindrückliche Projekte verwirklicht. Etwa die Apple-Zentrale in Cupertino, Kalifornien, den gurkenförmigen Gherkin Tower in der Londoner City oder – dafür ist Foster besonders in Deutschland berühmt – die Gestaltung der Glaskuppel des Reichstags in Berlin. Durch sie dringt das Licht des Alltags in das Parlament unter ihr. Das Element des sich im Gebäude ausbreitenden Sonnenlichts nimmt auch der einzige Foster-Bau in München auf: die Erweiterung des Lenbachhauses aus dem Jahr 2013. In dessen Lobby, seinem zentralen Ort, bestimmt eine Installation des Künstlers Ólafur Elíasson die Atmosphäre. Sie bricht die Strahlen der Sonne, die durch eine kleine Öffnung im Dach kommen und sich über die Arbeit im Raum verteilen. Licht und Farbe – mit ihnen experimentierten viele Künstler*innen, die das Museum zeigt – spielen auch in der Erweiterung eine große Rolle. Die Fassade glänzt in mattem Gold und nimmt so in einer Abwandlung die Farbe Ocker des Stammhauses auf. Von vielen Einheimischen wird das Gebäude deswegen als Schmuckkästchen der Kunst bezeichnet. Und das ist es natürlich.
Das Büro des englischen Architekten David Chipperfield ist gerade viel beschäftigt. In Zürich wurde der Erweiterungsbau des Kunsthauses fertig, in Berlin die Renovierung von Mies van der Rohes Neuer Nationalgalerie, und in New York geht es bald los mit dem Bau eines 25-Stockwerke-Hauses für Rolex. Chipperfield gehört sicherlich zu den gefragtesten Architekten der Gegenwart. Und in München wurde auch gerade ein von ihm und seinem Team konzipiertes Gebäude fertiggestellt. Das „Karl“ in der Karlstraße ist zwar nicht so spektakulär wie ein Hochhaus in New York, aber doch in seiner klaren Nüchternheit beeindruckend. Robust, monumental, sachlich, so wie es Chipperfields Stil entspricht. Was klingt wie Wehrarchitektur, ist es aber nicht. Chipperfield lässt immer genug Raum für Licht und Transparenz. So auch beim „Karl“, das sich durch sehr große Fenster und durch einen großzügigen Garten im Hof auszeichnet. Der Garten wurde vom global erfolgreichen Landschaftsarchitekten Enzo Enea designt. Bald wird hier Apple einziehen, das „Karl“ wird der Münchner Sitz des Techunternehmens.